Von Menschen und Motivation – Wie sieht die Reise der Nachhaltigkeit bei Junge – Die Bäckerei aus?
Junge – die Bäckerei. 1897 gründete Johannes Conrad Detlef Junge das Familienunternehmen in Lübeck. Nun 125 Jahre später befindet sich das Unternehmen noch immer im Familienbesitz - mittlerweile in der 5. Generation - und besteht aus 4.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in drei Großbäckereien und 205 Geschäften, die sich in Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin befinden. Dabei steht Nachhaltigkeit und soziales Engagement weit oben, doch die Balance zwischen einem ganztägigen, attraktiven und reichhaltigen Sortiment und der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung ist schwer. Dabei setzt Junge auf verschiedene Ansätze: Bedarfsgerechteres Backen durch die Auswertung von Umsatzhistorien oder KI-Einsatz, die Unterstützung der norddeutschen Tafel sowie das Angebot von vergünstigten Brotretter-Tüten über den Onlineshop, um Retouren zu minimieren. Dies geschieht mit Erfolg – In sechs Jahren wurden ca. 450.000 Brote und viele weitere Backwaren gerettet. Die Bäckerei Junge wurde für ihr Engagement mehrfach ausgezeichnet, unter anderem im Jahr 2017 mit Bundespreis »Zu gut für die Tonne« und 2018 mit dem »Goldenen Bulli« für das bundesweit beste soziale Projekt.
Isabelle Junge ist Nachhaltigkeitskoordinatorin im Nachhaltigkeitsmanagement bei Junge – Die Bäckerei. Im Jahr 2023 absolvierte sie den Master of Business Administration an der Sustainability Management School (SUMAS). Sie durchlief außerdem diverse Praktika, unter anderem bei Beiersdorf und Ticketmaster.
Petra Willruth ist Betriebswirtin und arbeitet seit fast 15 Jahren bei Junge – Die Bäckerei, wobei sie seit fünf Jahren die Leitung der Organisationsentwicklung inne hat. Zuvor war sie bereits sowohl bei Junge als auch anderen Firmen in unterschiedlichsten Unternehmensbereichen und -positionen tätig, unter anderem als Leitung des Projektmanagements, des Verkaufsinnendienstes, Leitung Vertriebssupport und Leitung Marketing.
Wir freuen uns sehr, dass wir die Beiden für das Fachforum II für unseren Trendtag am 30. Mai 2024 gewinnen konnten. Im Fachforum II zum Thema „Innovation und Methoden“ erläutern Frau Junge und Frau Willruth in einem interaktiven Workshop, wie Ideen gefunden werden können, der kreative Prozess optimiert und wie diese methodisch und ganzheitlich mit nachhaltigen Ansätzen verbunden werden können, unter anderem am Beispiel von Junge – Die Bäckerei.
In diesem Interview geben uns Isabelle Junge und Petra Willruth schon einmal einen kleinen Vorgeschmack auf den Trendtag 2024.
1. Frau Willruth, Nachhaltigkeit ist für Sie ein wichtiger Baustein in zukunftsfähigen Organisationen. Können Sie uns Ihren persönlichen Weg zu diesem Themengebiet beschreiben?
Ursprünglich komme ich aus dem Bereich Betriebswirtschaft mit der Ausrichtung Personal und Marketing. Heute hilft mir genau diese Verbindung der beiden Themenfelder, um verschiedene Ansätze zu kombinieren und möglichst alle Blickwinkel einzubeziehen. Außerdem arbeite ich sehr gerne mit Menschen zusammen und habe einen inneren Antrieb zu coachen, zu begeistern und Themen zu erspüren. Mittlerweile bin ich seit über 15 Jahren im Unternehmen Junge – Die Bäckerei beschäftigt. Bei Junge wollen wir übergreifendes Zusammenarbeiten im Unternehmen fördern, denn wir haben hier viele kluge Köpfe, die gemeinsam herausragende Projekte umsetzen können. Durch diese Abwechslung und thematische Vielfalt kann man sagen: Kein Tag ist wie der andere.
Organisationsentwicklung benötigt viel Flexibilität und setzt Rahmenbedingungen, innerhalb derer der/die Akteur/innen sich bewegen. Wir arbeiten hierbei gerne mit Workshops und unterschiedlichen Methoden. Es gibt aber auch außergewöhnliche Anforderungen an diesen Bereich, in Krisen stehen zum Beispiel andere Themen im Vordergrund. Das war während der Pandemie der Fall.
Insgesamt ist es wichtig immer anpassbar an das zu sein, was benötigt wird. Schwerpunkte sind hierbei die Kommunikation mit Menschen in Kombination mit innovativen Methoden zu vielfältigsten Themen. Teilweise arbeiten wir hierbei auch mit externen Experten zusammen, aber in jedem Fall spielt der interne Fachbereich eine sehr wichtige Rolle, denn diese Personen haben ausgezeichnete Erfahrungen auf ihrem Gebiet.
2. Frau Junge, wie sind Sie zum Thema Nachhaltigkeit bei Junge – Die Bäckerei gekommen?
Ursprünglich war mein Plan soziale Arbeit zu studieren, schlussendlich bin ich dann aber doch im Bereich Wirtschaft gelandet und habe einen Bachelor in Betriebswirtschaftslehre absolviert. Im Anschluss habe ich aus Interesse im folgenden Sommer aktiv bei Junge mitgearbeitet und mich intensiv mit verschiedenen Zusammenhängen beschäftigt. Zwischendurch habe ich im Praktikum weitere praktische Einblicke in anderen Unternehmen gesammelt. Meinen Master in Sustainability Management habe ich dann im Anschluss in Mailand abgeschlossen.
Viele Aspekte, die mich ursprünglich am Bereich soziale Arbeit interessiert haben, kann ich heute mit dem Thema Nachhaltigkeit verbinden und damit schließt sich auch ein Kreis für mich persönlich. Ich bin stolz, dass wir ein ganzes Team und eine Strategie entwickelt konnten, die nun das Thema Nachhaltigkeit langfristig in den Prozessen verankert.
3. Frau Junge, gibt es auch für kleine und mittelständische Unternehmen Anknüpfungspunkte, um Methoden und Innovationen in diesem Bereich zu nutzen?
„Ja, auf jeden Fall!“, antwortet Frau Junge euphorisch. Mein Rat ist es, immer mit den drei Säulen zu beginnen und sich kleine Ziele in jedem Bereich setzen. Im ökologischen Bereich könnte beispielsweise das Thema Verpackung oder Energieverbrauch oder im sozialen Bereich das Thema Ausbildung verstärkt oder grundsätzlich die Möglichkeit Ausbildungsplätze anzubieten, angegangen werden.
Hierbei ist es entscheidend immer Schritt für Schritt vorzugehen und dann nach und nach weitere Ideen dazunehmen. Nicht immer riesengroß denken, sondern kleine Ziele runterbrechen. Alle Mitarbeitenden einbinden und fragen: „Was ist euer Beitrag?“, ergänzt Petra Willruth.Viele Themen lassen sich über eine wertschätzende und fundierte Kommunikation lösen. Die Leitfrage könnte lauten: „Was möchtest Du tun?“.
Zu Beginn kann man beispielsweise wieder einen Rahmen abstecken und zu diesen vorgegebenen Themen dann die Kolleg/innen fragen, welche Themen für sie am relevantesten sind und was sie beitragen können. Akzeptanz und Langfristigkeit sind hier die Stichworte, aber auch Verständnis. Das Gefühl vermitteln, dass Alle mitwirken, macht stolz und gibt Energie. Kurz gesagt: Raum und Rahmen schaffen, individuell zuhören und Schwerpunkte identifizieren. Die Feinheiten und die Umsetzung gestaltet dann das Team Nachhaltigkeitsmanagement aus.
4. Frau Willruth, was motiviert Sie jeden Tag kreativ zu arbeiten und Ihre Kolleg/innen auf diese Reise mitzunehmen?
Die Arbeit mit Menschen bereitet mir große Freude, ich bin von Natur aus neugierig und ich probiere gerne die unterschiedlichsten Methoden aus und teste diese dann in den Workshopgruppen. Metaphorisch gesprochen, sehe ich gerne Pflänzchen wachsen, die dann blühen und sich zu starken Pflanzen entwickeln. Gleichzeitig bezeichne ich mich gerne als internen Dienstleister und bin Anlaufpunkt als Kollegin. Die Themen sind immer als Projekt-Prozess-Rahmen zu sehen, der Rest kommt dann individuell. Die Flexibilität, dass jeder Tag anders ist und die Möglichkeit zu helfen, motivieren mich. Die Welt dreht sich schneller und unvorhersehbarer, ist insgesamt weniger ausrechenbar, darauf möchten wir optimal reagieren. Häufig geht es auch darum in dieser neuen Umwelt dennoch ein gutes Maß Stabilität zu geben.
5. Frau Willruth, wie beschreiben Sie den foodRegio Trendtag in 3 Worten?
Ernährungswirtschaft, Begegnung, Innovation
6. Frau Junge, wie lange arbeiten Sie schon am Thema Nachhaltigkeit bei Junge – Die Bäckerei? Ist das für Sie eher eine neuere Entwicklung oder spielt das Themengebiet schon eine längere Zeit eine wichtige Rolle?
Denkt kurz nach und beide antworten fast gleichzeitig: "Seit 27 Jahren, also quasi seit Geburt an, das geht schon lebenslang.“ und lachen. "Nein, im Ernst ich bin die 5. Generation in diesem Unternehmen und bringe mich gerne in diese langjährige Unternehmensgeschichte mit neuen Aspekten und Gedanken ein. Insgesamt kann man aber sagen, es ist eher Zufall, dass ich hier so reingerutscht bin. Mein Vater hat schon lange an diesen Themen gearbeitet und zum Beispiel immer einen Fokus auf schonenden Umgang mit Energie gelegt. Damals stand natürlich noch nicht das Wort Nachhaltigkeit dran und es gab auch kein komplettes Team für diese Themen, aber die Grundidee war auch damals schon die gleiche: langfristig und innovativ denken, um dauerhaft den Unternehmenserfolg zu sichern und Ressourcen zu schonen."
Vielen herzlichen Dank an die Bäckerei Junge und unsere beiden Referentinnen, wir sind gespannt auf den Workshop und freuen uns auf interessante Einblicke.
Der Workshop im Rahmen des Trendtages wird also kreativ, spannend, neu und interessant. Es wird kleine Einblicke in die Junge-Welt geben, aber auch einen Einblick in eine Methodik. Im Fokus steht die doppelte Wesentlichkeitsmatrix (als Grundlage für die europäische Nachhaltigkeitsberichterstattung) und es wird ausreichend Zeit für individuelle Fragen geben.