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Die Verbindung zwischen Klima, Ernährung und Nachhaltigkeit

Wie wir Klimaschutz positiv gestalten können und was Ernährung damit zu tun hat: Von regenerativer Landwirtschaft und Regionalität 

Prof. Dr. Mojib Latif wurde 1954 in Hamburg geboren, ist Seniorprofessor der Christian-Albrechts-Universität Kiel und am GEOMAR-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, eine der weltweit führenden Einrichtungen auf dem Gebiet der Meeresforschung. Nach einem Studium der Betriebswirtschaftslehre absolvierte er ein Diplomstudium der Meteorologie an der Universität Hamburg und promovierte in der Ozeanographie. Seit 2000 wurde er fast jährlich für seine Forschung ausgezeichnet, zuletzt im Oktober 2023 mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Zu seinen Forschungsgebieten zählen u.a. die anthropogenen Einflüsse auf das Klima. Zudem ist er Mitglied in diversen Gesellschaften, unter anderem der Akademie der Wissenschaft und der Deutschen Gesellschaft CLUB OF ROME, bei denen er als Präsident tätig ist. Neben mittlerweile 165 wissenschaftlichen Publikationen veröffentlichte mehrere Bücher über den Klimawandel und ist seit Jahrzehnten als gefragter Speaker unterwegs. 

Wir freuen uns sehr, dass wir ihn als Key-Speaker für unseren Trendtag am 30. Mai 2024 gewinnen konnten. In seinem Vortrag zum Thema „Klima und Ernährung“ erläutert Herr Latif die Wechselwirkungen von beiden Parametern und wie wir die Ernährung in Zukunft für den Klimaschutz handhaben können.

In diesem Interview gibt uns Prof. Dr. Mojib Latif schon einmal einen kleinen Vorgeschmack auf den Trendtag 2024:

foodRegio: Herr Latif, fast jedes Jahr haben Sie in den vergangenen 23 Jahren eine Auszeichnung erhalten, was macht Ihre Forschung so einzigartig und was motiviert Sie an diesen Themen weiterzuforschen? 
Prof. Dr. Mojib Latif
Als Wissenschaftler hat man die einzigartige Möglichkeit, der Natur ihre Geheimnisse zu entlocken. Deswegen interessiere ich mich nicht nur für Fragen im Zusammenhang mit dem menschengemachten Klimawandel, sondern auch für die natürlichen Klimaschwankungen. Letztere sind faszinierend, zum Beispiel, wenn man an das Entstehen und Vergehen von Eiszeiten denkt. Und das Verständnis der Schwankungen in der Vergangenheit hilft uns auch dabei, die Auswirkungen des Klimawandels noch besser vorherzusagen. 

 
foodRegio: Sie forschen und berichten zu einer großen Bandbreite an aktuellen Themen aus dem Bereich Klima, Meteorologie und Ozeanographie. Welches Themengebiet liegt Ihnen hier besonders am Herzen? 
Prof. Dr. Mojib Latif
Alle drei Bereiche hängen eng miteinander zusammen. Wir spüren die Auswirkungen der globalen Erwärmung in erster Linie über die Atmosphäre etwa in Form von Hitzewellen, Starkniederschlägen oder Dürren. Die Ozeane sind wichtig, was die Ausprägung des Klimawandels angeht. Die Meere haben über 90 Prozent der Wärme aufgenommen, die durch den Anstieg der Treibhausgase in der Atmosphäre zurückgehalten worden ist. Das dämpft die Erwärmung an der Erdoberfläche. Die Meere haben außerdem große Mengen des Treibhausgases CO2 aufgenommen, dass die Menschen in die Atmosphäre emittieren. Auch das verlangsamt die globale Erwärmung. Die Kehrseite dessen ist, dass sowohl die Meereserwärmung als auch die CO2-Aufnahme die marinen Ökosysteme stressen.

 
foodRegio: Was ist unsere größte Herausforderung als Gesellschaft, wenn es darum geht das Klima positiv zu beeinflussen? In welchem Umfang ist das möglich? 
Prof. Dr. Mojib Latif
Wir müssen uns von der Verzichtsdebatte verabschieden und die positiven Aspekte des Klimaschutzes mehr betonen. Das gilt im Kleinen wie im Großen. Klimaschutz kann Spaß bringen. Wir verschwenden so viele Ressourcen und Energie. Das muss nicht sein. Man kann zum Beispiel viel Geld sparen, wenn man beim Autofahren nicht immer Vollgas gibt. Und das verringert auch den CO2-Ausstoß. Außerdem haben wir gerade in den letzten Jahren gesehen, wie wichtig die Energiewende und die verstärkte Hinwendung zu den erneuerbaren Energien im Hinblick auf Energiesicherheit und Wohlstandssicherung ist.

 
foodRegio: Welche Möglichkeiten sehen Sie bei der Ernährungswirtschaft diese Entwicklung positiv zu beeinflussen? 
Prof. Dr. Mojib Latif
Neben den Ozeanen sind unsere Böden wichtige Kohlestoffspeicher. Carbon Farming ist deshalb nicht umsonst ein zentrales Element im Green Deal der EU. Es ist an der Zeit, unsere Böden wieder mehr wertzuschätzen. Intakte Böden sind eine unabdingbare Voraussetzung für das Leben auf der Erde. Wichtig ist, dass wir die Böden in die Lage versetzen sich zu regenerieren. Benedikt Bösel, ein ehemaliges Mitglied unseres jungen Think Tank 30, zeigt, dass regenerative Landwirtschaft sich auch betriebswirtschaftlich rechnet. Dabei erfindet er nichts neu, sondern setzt – wie er selbst sagt – auf uraltes Wissen aus aller Welt. Es ist an der Zeit, dass wir erkennen, dass weniger mehr sein kann.  

foodRegio: Wo sehen Sie die größte Wechselwirkung zwischen Klima und Ernährung?
Prof. Dr. Mojib Latif
 Im Rahmen eines Club of Rome Projekts entstand 2018 ein Kinderbuch „Warum Früchte Heimweh haben“. Darin wird anschaulich erklärt, weshalb es für uns alle besser ist regionale und damit auch saisonale Produkte zu konsumieren. Hier geht es unter anderem auch um CO2-Emissionen, die wir quasi ‚mit auf dem Teller‘ haben. So gesehen ist jede Mahlzeit eine Möglichkeit etwas für den Klimaschutz zu tun. Man mag dies als Verzicht empfinden, aber ich finde die Perspektive viel schöner, dass wir etwas über unsere Nahrungsmittel lernen, sie wertschätzen und bewusster konsumieren. Außerdem werfen wir so viele Lebensmittel weg, die mit viel Aufwand hergestellt worden sind. Das ist dumm und hat nichts mit Wohlstand zu tun.

Vielen herzlichen Dank an Herrn Prof. Dr. Latif, wir sind gespannt auf den Vortrag und freuen uns auf interessante Einblicke.