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Künstliche Intelligenz trifft Qualität: Wie Symrise die Zukunft der Aromaproduktion gestaltet 

Im Vorfeld zur Fachveranstaltung Newtrition X. – Future Food powered by AI am 11. November 2025, bei der KI-Lösungen im Qualitätsmanagement und der Produktentwicklung im Mittelpunkt stehen, sprach foodRegio mit Jan Förstner von Symrise. Er ist in dem Unternehmen Director QC-Services und verantwortlich für sensorische Qualitätskontrolle.  Im Gespräch gab er spannende Einblicke in KI-gestützte Qualitätskontrolle und die Herausforderungen, die sich daraus ergeben.  

foodRegio: Inwieweit ist Ihre berufliche Entwicklung mit der Entwicklung von KI verquickt und hat zu ihrer Arbeit bei Symrise geführt? 

 Jan Förstner: Für meine berufliche Entwicklung spielte KI bis 2018 keine Rolle. Dann jedoch wurde der Workload in der Abteilung, für die ich verantwortlich war, so groß, dass ich dachte, hier könnte uns jetzt gut KI helfen. Das Unternehmen Symrise hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine KI namens Philyra entwickelt. 2019 wurde die erste rein von einem Computer erzeugte Rezeptur für ein Parfum in den Markt gebracht.

 
foodRegio: An welchem KI-Projekt zur Qualitätsentscheidung arbeitet Symrise? 

Jan Förstner: Die erste Idee war, bei der Verwendung von Materialien, die einen Fehler (Qualitätsmangel) haben, die Entscheidung KI zu überlassen. Wir hatten es uns so gedacht, dass die Maschine einen Vorschlag macht und der Mensch dann nur noch bestätigen muss. Bisher muss sich der Mensch anschauen, welche Parameter abweichen, ob es schon Präzedenzfälle gibt, wie damals entschieden wurde - das alles sollte KI übernehmen, die auf Basis dieser Historie, die sie viel schneller aus den Datenbanken herausziehen kann, Vorschläge machen sollte: In der Vergangenheit wurde bei dieser Abweichung immer so entschieden. Deshalb würde ich (KI) vorschlagen, mache es wieder so. Und der Mensch kann dann ja oder nein sagen. Das macht die Entscheidung viel schneller. 

 
foodRegio: Wie definiert Symrise im Kontext von KI-gestützten Entscheidungsprozessen einen Fehler?  

Jan Förstner: Es gib einen Prüfplan mit vordefinierten Prüfungen, mit oberen und unteren Limits. Wenn eines dieser Limits aus dem Prüfplan verletzt wird, ist das ein Fehler. Also nicht Qualität, wie ihn ein Qualitätsmanager philosophisch definieren würde, sondern sehr konkret in Bezug auf die Prüfung eines Materials anhand eines Prüfplans.  


foodRegio: Können Sie das an einem praktischen Beispiel erläutern?  

Jan Förstner: Noch vor 15 Jahren hat es vielen Kunden gereicht, wenn das Produkt gerochen und geschmeckt hat, wie es soll. Heute liefert man ein Zertifikat, in dem Qualitätsparameter wie physikalische, spektroskopische, mikrobiologische, sensorische und chromatografische Parameter aufgelistet werden. Das gehört heute auf jeden Fall dazu. Wenn beispielsweise das Chromatografie-Profil nicht so aussieht, wie der Kunde es gewohnt ist, dann muss ich das dem Kunden gegenüber begründen, weil es ein Fehler im Sinne der Qualitätsprüfung ist. Beispiel Orangenöl: Abweichungen in Produkten, die durch saisonale Schwankungen bei natürlichen Rohstoffen verursacht werden, können bewirken, dass ein Kunde dieses ohne Rücksprache nicht akzeptiert. Deshalb muss im Vorfeld beurteilt werden, welche Auswirkungen diese Abweichung haben, oder ob diese noch im Rahmen erntebedingter Schwankungen toleriert werden können. Hier könnte KI beispielsweise vorselektieren.

 
foodRegio: Wo sehen Sie die Herausforderungen bei der Entwicklung von KI im Bereich von Qualitätsentscheidungen?

 Jan Förstner: KI braucht andere Unterstützung als es die normale IT-Landschaft benötigt. KI muss trainiert werden, sie muss administriert werden. Man muss Feedbackschleifen einbauen, also sie benötigt eine bestimmte IT- Infrastruktur. Eine andere Herausforderung ist dann auch die Einbindung in das reale System.  


foodRegio: Was könnte KI-gestützte Qualitätskontrolle bringen? 

 Jan Förstner: KI-gestützte Qualitätsprüfung würde noch mehr Konsistenz in Qualitätsentscheidungen bringen. Die Mitarbeiter der Qualitätskontrolle haben anhand der Parameter, die vorhanden, aber häufiger abweichend sind, schon sehr konsistent entschieden. Aber KI ist da noch konsequenter. Das kann aber auch nachteilig sein, da man ggf. nachtrainieren muss. Wieder das Beispiel vom Orangenöl als natürlichen Rohstoff: Wenn die Wetterbedingungen in diesem Jahr anders als im letzten Jahr sind und entsprechend die Qualität des Orangenöls abweicht, würde KI konsequent entsprechend der Parameter des letzten Jahres entscheiden. Aber die Ware, aufgrund der ich meine Entscheidung im letzten Jahr aufgebaut habe, gibt es ja nicht mehr. Diese veränderten Qualitätsbedingungen muss KI erst wieder lernen.

 
foodRegio: Wie verändert eine KI-gestützte Qualitätsentscheidung die Ernährungsbranche?

 Jan Förstner: KI wird eine Veränderung bezüglich der Verarbeitung regulatorischer Daten bringen. Im Moment gibt es viele Verordnungen, die sich verändern, für unzählige Pestizide werden die Grenzwerte verändert u.a. Da kommt der Mensch oft gar nicht mehr hinterher. Habe ich das schon geprüft oder nicht, hat es Auswirkungen auf uns? Hier können KI-Systeme helfen, Ordnung reinzubekommen. Ansonsten ist der Einsatz von KI in unserem Prüfbereich schwierig, weil wir sehr viele Produkte herstellen, die jedoch eher selten gefertigt werden. Bei Unternehmen, die weniger Produkte herstellen, können ganz andere Routinen eingebaut und Systeme anders trainiert werden. Bis man dagegen bei unseren Produkt-Zyklen KI trainiert hat, ist der Life-Cycle längst durch.  


foodRegio: Wo sehen Sie Nachteile von KI?

Jan Förstner: Im Moment halluziniert KI noch zu stark, insbesondere bei regulatorischen Anwendungen, bei denen es sehr auf Genauigkeit ankommt. Wenn man also nicht sicher ist, ob die Daten, die KI ausspuckt, richtig sind, sondern alles noch einmal gegenchecken muss, ist die Arbeitserleichterung begrenzt. Aber die Systeme holen sehr schnell auf.